Bei Nieselregen machten wir uns heute Morgen auf zur Schiffsstation von Kapiti Tours. Wir hatten den Ausflug mit Übernachtung auf der Insel primär in der Hoffnung gebucht, beim nächtlichen Walk einen Kiwi (gehört zu den nachtaktiven Tieren) in der freien Natur zu sehen.
Beim Veranstalter stellten wir in der Nähe unser Wohnmobil für fast zwei Tage ab und gaben die Wertsachen in die Obhut von Kapiti Tours. Anschliessend mussten wir beim Bio-Sicherheits-Checkpoint unser Gepäck durchwühlen und nach ungebetenen Gästen wie (Argentinische) Ameisen, Mäuse und anderes Getier. Sie sind auf der Insel unerwünscht und wurden vor Jahren in aufwändigen Aktionen von der Insel verbannt. Seit 1996 ist die Insel “pest-free”. Danach durfte das Gepäck den Boden nicht mehr berühren. 2 Ameisen würden ausreichen, damit sie sich verbreiten könnten.
Danach wurden wir auf einem Parkplatz in eine kleine Nussschale namens Schiff mit Platz für ca. 20 Personen und zwei starken Motoren verladen (Erinnerungen an Galapagos wurden wach). Ein Traktor beförderte uns rückwärts ins Meer. Nach ein paar kurzen Instruktionen brausten wir über das ruhige Meer. Vor Tagen wurden an dieser Stelle Wale, Orcas und Delfine auf der Durchreise gesichtet (Ansässige gibt es hier nicht). Nach einer zehnminütigen Überfahrt erreichten wir den Strand der Insel. Ein ortskundiger Guide informierte uns über die Geschichte sowie die Flora und Fauna der Insel. Bei Nieselregen führte er uns durch die üppige Vegetation. Viele Pflanzen haben die Strategie entwickelt, möglichst schnell zu wachsen, um erst in der Höhe, bei genügend Licht, ihr Blätterwerk zu entfalten. Eine Pflanze hat gar in Bodennähe nur ganz schmale Blätter zugelassen, möglichst uninteressant für die ansässigen Tiere, um erst in luftiger Höhe so richtig aufzublühen. Auf unserem Rundgang tauchte ein äusserst neugieriger und cleverer Vogel namens Kaka auf. Zuerst musterte er uns alle von einem Baum aus, wobei seine Wahl auf Hajos Rucksack fiel. Er setzte sich oben drauf und hatte in einem geschickten Zug den Reissverschluss geöffnet. Viele Vögel haben hier die Scheu vor Menschen abgelegt.
Nach unserem Rundgang erklommen wir den ersten Teil des Wilkinson Trail. Bei hoher Luftfeuchtigkeit und abwechselnd Trockenperioden und Nieselregen kämpften wir uns den steilen Pfad der dicht bewachsenen Bergflanke empor. Insbesondere für Flurin ein anstrengendes Unterfangen (einknicken beim bergauflaufen, sich entwickelnde Druckstellen). Nach ca. 300 Höhenmetern entschieden wir uns deshalb, umzukehren. Vor der Rancherstation genossen wir unseren wohlverdienten Lunch, wobei wir diesen mit allen Kräften gegen die hungrigen und cleveren Kakas verteidigen mussten. Mit geschickten Tricks und Ablenkungsmanövern schafften sie es immer wieder, irgendwo einen Happen zu erhaschen. Und plötzlich war das Essen weg! In der flachen Uferzone haben wir uns dann auf die Suche nach den seltenen Takahes (sieben davon soll es auf der Insel geben) gemacht und wurden tatsächlich fündig: durch das Buschland (es war über lange Zeit sehr trocken) konnten wir zwei Takahes bei der Suche nach Futter beobachten. Später holte uns das Boot ab und brachte uns ans Nordende der Insel zur Lodge. Während wir ausstiegen und zur Lodge gingen, verliess eine Horde Tagesausflügler die Insel. Es sei hier zu erwähnen dass pro Tag nur etwa 100 Tagesausflügler im östlichen, 60 im nördlichen Schutzgebiet und etwa 25 Übernachtungsgäste auf der Insel zugelassen sind. Nach einigen Safety Instructions (Verhalten bei Feuer, Erdbeben und Tsunami) durch den Lodgemanager Wayne sowie Informationen in Maori und Englisch über die Geschichte der Insel, angefangen bei der Besiedlung durch seine Familie ca. 1820 und deren Beschäftigung zuerst als Walfänger und dann als Landwirtschaftsbetrieb bis hin zum Betrieb als Ökolodge heutzutags, bekamen wir unsere Nachtquartiere zugeteilt. Aufgrund des akuten Wassermangels herrschten auch auf dem Klo besondere Regeln ganz nach dem Moto:
If it‘s yellow, let it mellow, if it‘s brown, flush it down!
Während die einen die freie Zeit (der Regen hatte mittlerweile aufgehört und gar ein paar wenigen Sonnenstrahlen und blauen Flecken am Himmel Platz gemacht) für weitere Walks oder Vogelbeobachtungen auf der Veranda nutzten, sammelten die anderen Kräfte für den nächtlichen Walk auf der Suche nach Kiwis. Um 18 Uhr traf man sich zum Apéro auf der Veranda. Wir erfuhren dabei, dass 70% der Besucher Neuseeländer sind. Den Schnitt hielten wir an diesem Abend nicht, es waren nebst uns zwei Schweizerinnen, zwei Holländer, zwei Engländer und ein Neuseeländer. Die Kakas hatten natürlich den Braten längst gerochen und so forderten sie uns ziemlich, die Häppchen auf dem Tisch zu verteidigen. Einige Angriffe wurden sogar zu zweit gestartet, wobei in der Regel mindestens einer erfolgreich und damit cleverer als wir war. Die Wekas waren da deutlich bescheidener, sie begnügten sich mit den allfälligen Resten auf dem Boden. Nach einem gesunden, ausgiebigen dreigängigen Nachtessen mit Suppe, Gemüse und Fleisch vom Grill sowie Dessert bekamen wir viele wissenswerte Informationen über Kiwis geliefert. Bania, unsere Gastgeberin am Abend (und Cousine des Lodgemanagers), hatte sofort Alinas Herz gewonnen und so fungierte sie ab sofort als Helferin und Assistentin an Banias Seite. Dank ihrer recht klären und deutlichen Aussprache konnte Alina sich rege in englisch unterhalten, sie wird viel profitiert haben. Überhaupt ist es eine Freude, wie unsere beiden Kinder die englische Sprache ausprobieren und sich in verschiedenen Situationen mit allen möglichen Leuten unterhalten. Das Einchecken auf dem Campingplatz hat Alina mittlerweile vollständig übernommen, im Restaurant organisiert Flurin Nachschub, wenn etwas fehlt.
Kurz nach 21 Uhr haben wir uns in Kiwi-Tenue auf der Veranda versammelt und sind in zwei Gruppen mit der Taschenlampe losgezogen. Nun galt es, möglichst ruhig zu sein und sich unauffällig fortzubewegen, immer mit wachsamen Augen, um eventuell einen der scheuen nachtaktiven Laufvögel aufzuspüren. Während zwei Stunden suchten wir intensivst Büsche, Bäume und Wurzeln ab, wobei die Feuchtigkeit die Suche massiv erschwerte. Wo vor wenigen Tagen raschelndes Grasland oder Bewegungen im Unterholz den Aufenthalt von Kiwis rasch verrieten, hatten wir an diesem Abend keine entsprechende Schützenhilfe. Leider waren wir auch im Gebiet der anderen Gruppe, welche für ein paar wenige Sekunden einen Kiwi erspähen konnte, ohne Glück. Wir hatten zwar Rufe von zwei Kiwis gehört, aber keinen einzigen gesehen. Ausser einer Eidechse, einem einheimischen Käfer und einem schlafenden Weka hatten wir trotz intensivster Suche nichts gesehen. Die Enttäuschung war entsprechend gross. Übermüdet haben wir uns alle in unsere Betten verzogen. Vielleicht hat wenigstens jemand von einem Kiwi geträumt…