Diese Nacht hatte ich eine Begegnung der besonderen Art. Wie schon mehrfach auf unserer Reise fühlen sich Zikaden (hier anscheinend auch auf dem Campingplatz) in Picton pudelwohl und gaben dies ununterbrochen lautstark zum Ausdruck, auch ungeniert während der Nacht. Schon öfters hielt ich tagsüber Ausschau nach dem Tier, das einen solchen Lärm produziert, vergebens. In den frühen Morgenstunden machte ich mich unter intensivem Singsang auf zum nächsten WC-Häuschen. Mich traf fast der Schlag, als ich sah, wie viele dieser schwarzen Riesenkäfer den Eingang belagerten und unkontrolliert herumschwirrten, um plötzlich wieder laut an die nächste Wand zu klatschen. Auf einen Schlag war ich hellwach und streckte todesmutig die Hand nach dem Türgriff, was weitere dieser Ungeheuer zu einem Flugversuch bewegte. Ich musste mich massivst zusammenreissen, damit mir nicht ein Schrei entglitt und hechtete ins Innere. Auch hier war ich aber nicht allein, es schien mir, als ob es rundherum kreuchte und fleuchte. Schnell erledigte ich, was zu erledigen war, versuchte, etwas Luft zu holen und überlegte mir Strategien, wie ich möglichst unbeschadet aus der Hölle wieder raus kommen konnte. An der Tür begab ich mich in Stellung, um auf direktestem Weg aus der Gefahrenzone zu fliehen. Wie im Krimi stiess ich die Türe auf, duckte den Kopf und stand Sekunden später ausser Atem auf der Strasse. Nachdem ich mich von Kopf bis Fuss gecheckt hatte, damit auch ja kein blinder Passagier mich ins Wohnmobil begleiten würde, war ich heilfroh, als ich wieder in meinem Bett zurück war. Sicherheitshalber prüfte ich nochmals meine Mähne, damit sich auch sicher kein Käfer unter meine Bettdecke verirren könnte. Jegliche Lust, dieses gruselige Viech zu fotografieren war mir mittlerweile vergangen, ich habe es am Morgen dann noch getan, um es im Blog dokumentieren zu können.

Nach ein paar weiteren Stunden Schlaf standen wir Morgens bei Regen und bedecktem Himmel auf. Die Käfer waren noch immer da, hatten noch nicht ausgesungen, sich aber wieder mehr in ihre Verstecke zurückgezogen.

Nach dem Frühstück machten wir uns auf in die Stadt. Endlich war Hajo erfolgreich und konnte bei einem aus Samoa stammenden Coiffeur im Barbershop seine Haare schneiden lassen. Wir haben in der Zwischenzeit die Shops nebenan abgeklappert. Von der Seepromenade konnten wir einen Blick auf das Kreuzfahrtschiff der Gesellschaft Europa namens Nassau werfen, welches im Hafen angelegt hatte. Kurz darauf tauchte eine Fähre der Bluebridge Company auf. Wir begaben uns nochmals zum Aussichtspunkt über dem Hafen und konnten von da das Einlaufen unserer Interislander Fähre beobachten. Unglaublich beeindruckend, wie der Kapitän im engen Sound den Riesen wendete, um rückwärts in das Terminal anzudocken. Der Schiffsführer leistete über zig Meter Millimeterarbeit und schob eine kräftige Welle vor sich , um dann sanft und im richtigen Moment zu stoppen. Nachdem die Rampen ausgefahren waren, rollten auch schon die ersten Autos, Velos, Töffs, Lastwagen und Trucks aus dem Bauch des Giganten. Erst später waren die Wohnmobile an der Reihe, welche auf dem oberen Deck in geordnetem Chaos eng aneinander platziert waren und die Fähre ebenfalls via Unterdeck verliessen. Es war sehr spannend, dem Treiben zuzusehen. Bald würden wir da mittendrin stecken. Genug früh fuhren wir zum Terminal und aufgrund von Flurins walking disability bekamen wir ein pinkiges extra Schild „easy access required“, welches uns als eines der einzigen Wohnmobile in einer Spur für das Unterdeck nahe den Liften einreihte (mit dem zusätzlichen Vorteil, dass wir vermutlich schneller von Bord sind in Wellington als üblich). Sehr organisiert, geordnet und gesittet wurde durch mehrere Orangewesten Fahrzeug um Fahrzeug minutiös in das Schiff gelotst und dort auf den richtigen Platz gewunken. Viele grosse Lastwagen wurden mit Ketten befestigt, damit sie für alle Eventualitäten bei der Überfahrt gesichert waren.

Die Fähre bestand aus 10 Decks, das oberste war die Aussichtsplattform, auf der wir die Fahrt von Picton weg durch die Sounds ins offene Meer verfolgen konnten. Sehr beeindruckend war, wie der Kapitän die Fähre durch die engen Meeresarme steuerte. Die Landschaft durch die Sounds war wunderschön. Einziger Wermutstropfen war das Wetter, welches durch sein grau die Farben etwas düster ausfallen liess. Dabei sahen wir nochmals einige springende Delfine. Vor der Ausfahrt ins offene Meer wurden wir angewiesen, das Deck aufgrund des starken Windes zu verlassen und uns weiter unten niederzulassen.

Auf dem offenen Meer erspähten wir noch eine Robbe, die in den Wellen tauchte. Auf der Überfahrt kreuzten wir ein paar andere Fähren und in der Ferne war ein Frachtschiff zu erkennen. Für den Rest der knapp Vierstündigen Überfahrt haben wir uns drinnen hingesetzt, sehr zur Freude der Kinder, die sich einen Film am Fernsehen anschauen konnten. Bei einer Zwischenverpflegung stellte Alina plötzlich fest, dass ihr ein Wackelzahn ausgefallen war. Nun hofft sie sehr auf fünf Neuseelanddollars von der Zahnfee. Ob es hier in Neuseeland auch eine Zahnfee gibt? Wir werden es Morgen wissen…

In Wellington war das Wetter noch bescheidener als in Picton, obwohl die Prognosen eigentlich eher umgekehrt waren. Ziemlich rasch waren wir an der Reihe, die Fähre zu verlassen. Wir kamen direkt in die Rushhour, wobei heute Abend besonders viele Velofahrer unterwegs waren. Wie wir später einem Zeitungsartikel entnahmen, galt das als Protestaktion, nachdem ein Velofahrer am Vortag von einem Auto überfahren worden war. Sie forderten damit die Regierung auf, die längst geplante Velospur entlang der stark befahrenen Uferstrasse endlich auszubauen und damit das Radfahren sicherer zu machen.

Was die Neuseeländische Regierung erfolgreich geschafft und umgesetzt hat sind der (Aus)Bau von öffentlichen sanitären Anlagen. Nachdem die Hinterlassenschaften der Menschen ein grosses Umweltproblem (Fäkalien und Bakterien im Wasser) verursacht hatten, wurde viel Geld in den Bau oder die Verbesserung öffentlicher WCs investiert. Überall wo man hin kommt, ob in der Stadt oder auf dem Land sowie bei den Aussichtspunkten steht irgendwo ein WC-Häuschen. Und wenn man noch so in der Pampa oder im Niemandsland draussen ist und seine Erwartungen entsprechend runterschraubt, man ist immer positiv überrascht, wie sauber und gut ausgestattet jedes noch so kleine und ferne Kabäuschen ist. Das habt ihr Kiwis wirklich gut gemacht, danke!

Picton Wellington