Das Zurückfahren nach Haast River am Vorabend stellte sich als Richtige Entscheidung heraus, denn es folgte eine kurvenreiche, bergauf (zum Glück hatten wir nicht mehr das alte Wohnmobil, sonst wären wir noch lange unterwegs gewesen) und bergab führende Fahrt teils durch dichte Wälder, teils durch Ebenen, hin und wieder dem Meer entlang und kurz darauf wieder hoch oben mit wunderbarer Aussicht von den Lookouts. Immer wieder mussten wir das Tempo aufgrund von Baustellen und lädierten Strassen drosseln (Flooding, Erd- und Hangrutsche, Abbruch von Strassentrassees, etc.), die Arbeiter haben hier einen Dauerjob, um diese vor allem von Touristen frequentierten Abschnitt instand zuhalten (nachts ist gar für einige Zeit die ganze Strasse gesperrt). Zwischendurch folgte zur Abwechslung wieder eine dieser vielen One Lane Bridges. Ob das Vortrittsrecht irgend einer bestimmten Logik folgt, haben wir bisher nicht herausgefunden. Die nächste Zivilisation erfolgte tatsächlich erst nach 120 Kilometern am Fox Glacier. Die grossen Distanzen bis zur nächsten Siedlung, in denen einfach nichts nichts ausser Natur kommt, sind für uns fremd.
Nachts hörten wir in der Nähe des Campingplatzes einen lauten, uns unbekannten Ruf/Schrei: Im nachhinein erfuhren wir, dass dies unser erster lebendiger Kiwi unserer Reise war.
Unterwegs machten wir einen Stopp am Meer und konnten von einem Turm aus den Blick über das tosende Meer und die üppige Vegetation um uns herum schweifen lassen. Dieser Break wurde für uns jedoch regelrecht zum Überlebenskampf, denn wir würden von den vielen Sandflies, die uns attackierten, gefressen.
Beim Fox Glacier, der nach einem langen Fussmarsch weit hinten im Seitental zu erreichen ist, machten wir einen Kaffeestopp am Lake Matheson. Auf Postkartenbildern konnten wir nachvollziehen, wie schön es hier sein könnte, wenn der Himmel klar ist, die Sonne scheint und die hohen Berge sich im Wasser spiegeln. Leider war der Himmel bedeckt und die Berge (von hier aus wäre der Mount Cook, diesmal von der anderen Seite, zu sehen) in dichte Wolken eingepackt.
Beim in der Nähe liegenden Franz Josef Glacier haben wir Halt gemacht und einen Fussmarsch zu den Aussichtspunkten unternommen, um die Gletscherzunge bewundern zu können. Es herrschte viel Flugverkehr, denn hier lassen sich es viele Touristen nicht nehmen, einen Gletscherflug in die Berge zu buchen (soll aber enttäuschend sein, wie wir gehört haben). Wie bei uns hat sich auch der Franz Josef Gletscher immer weiter in die Berge zurück gezogen. Vor gut 120 Jahren reichte er noch bis zum Aussichtspunkt knapp 2 Kilometer vom Parkplatz entfernt, heute ist da nur noch eine riesige graue Ebene mit Geröll und Gletscherabflüssen. Bald endete unser Walk an einer Absperrung, denn auch hier hat es erst kürzlich Überschwemmungen gegeben und die Wege müssen laufend wieder instand gesetzt werden.
Die Fahrt erwies sich den ganzen Tag der Westküste nach im etwa ähnlichen Stil, über viele Kurven hoch in die Berge und dann wieder runter in die teils landwirtschaftlich genutzten Ebenen und zurück ans Meer, so dass unsere Reise noch etwas länger dauerte als geplant. Am frühen Abend erreichten wir unsere nächste Bleibe in Ross Beach direkt am Meer. Hier zeigte sich noch die Sonne und blauer Himmel. Ein wunderschöner Sonnenuntergang schloss diesen abwechslungsreichen Tag ab.
Erwähnen möchte ich einmal die vielen speziellen, fremden und doch wohlklingenden Ortsnamen. Jeder Neuseeland-Reisende wird sofort Elemente der Maori Sprache aufschnappen, da die Mehrzahl der Ortsnamen Maori-Ursprungs sind. Die scheinbar unaussprechbaren Namen mögen zuerst verwirren. Allerdings hat Te Reo Maori eine logische Struktur und, anders als im Englischen, sehr einheitliche Regeln über die Aussprache. Ungefähr 14 Prozent der Bevölkerung sind heute noch Maori. Als indigenes Volk haben Sie einen gewissen Status und besondere Rechte im Land. Die Maoritanga, Ihre Kultur soll geschützt und geachtet werden. Seit 1987 ist neben Englisch die Maorisprache (Te Reo Maori) die zweite Amtssprache Neuseelands. Als Zweitnamen tragen alle Ministerien und Behörden einen Namen in Maori. Außerdem werden auf staatlich finanzierter Basis spezielle Fernseh- und Radioprogramme in Maori gesendet. Ich finde es schön, dass diese Namen erhalten blieben und nicht überall durch Anglizismen ersetzt wurden.
Und zu guter Letzt noch dies: Während wir aufgrund der sintflutartigen Regenfälle festsassen und ihr zu Hause von mehreren Stürmen heimgesucht werdet, gab es am 4. Februar 2020 auf der Nordinsel Neuseelands 30 Kilometer östlich von Tauranga in einer Tiefe von 257 Kilometer ein leichtes Erdbeben mit der Magnitude 5.5. Es ist also immer was los auf dieser Erde!