An diesem etwas kühleren, aber schönen Morgen genossen wir wohl eines der letzten Frühstücksmahle vor unserem Motorhome, denn wir müssen unser mittlerweile – trotz Maken (z.B. Alarmanlage) – lieb gewonnene Gefährt bald abgeben.
Wir geniessen nochmals die Ruhe an dem schönen Campingplatz, wo kleine Hasen sich in den Büschen verstecken, erfreuen uns an der grossartigen Aussicht, wobei wir heute weit entfernt im Hafen von Victoria ein Kreuzfahrtschiff erspähen (das wir später noch von näher sehen werden), bevor wir uns auf in die Provinzhauptstadt machen. Bis zum Fisgard Lighthouse, den wir gestern besucht haben, können wir den gleichen Weg nehmen, danach geht es auf dem Highway 1 in die Stadt. Ich bewundere Hajo, mit welcher Lockerheit er das grosse Fahrzeug durch die Stadt kurvt. In der Nähe des Parlamentsgebäudes parkieren wir das Motorhome einfach so gut es geht am Strassenrand. Zwei Stunden ist das Maximum an Parkzeit. Wir befinden uns gleich am Inner Harbour, wo es sich gut flanieren und den Wasserflugzeugen, Booten und Schiffen zuschauen lässt.
Es herrscht reger Verkehr auf dem Wasser und ständig starten oder landen Flugzeuge. Flurin ist total fasziniert und will ständig „Gugi“ schauen. Im Visitor Centre decken wir uns mit einer Stadtkarte und einigen Prospekten, z.B. zu den Wasserflugzeugen (es gibt nicht nur Linien- sondern auch Rundflüge), ein. Wir marschieren den ganzen Inner Harbour ab und zweigen später in die Strasse nach Chinatown ab. In diesem Quartier befindet sich die Fan Tan Alley, die schmalste Gasse Kanadas. Sie war einst ein Sündenpfuhl mit Spielhallen und Opiumbars.
Nach einem Fotostopp beim Gate of Harmonious Interests, dem reich verzierten chinesischen Eingangstor, gingen wir der Governement Street, der Einkaufsstrasse von Victoria entlang zurück zum Visitor Centre beim Inner Harbour. An sämtlichen Strassenlaternen in der Stadt sind schöne Blumentöpfe aufgehängt und vor dem Parlamentsgebäude erstreckt sich eine grosse Wiese umsäumt von gepflegten Blumenrabatten. Auf dem Weg diskutieren wir lange über die Möglichkeit einer Whale Watching Tour. Eigentlich ist es eine sehr teure Angelegenheit, wir wissen nicht, wie das Abenteuer mit Kindern ist und doch reizt es uns, die grossen Meerestiere bei dieser einmaligen Gelegenheit zu sehen. Ausserdem spricht Alina seit einiger Zeit immer wieder von Orcas. Ich schlage vor, uns beim Visitor Centre ganz unverbindlich zu informieren. Da wird uns eine 3-stündige Fahrt mit einem etwas grösseren Boot empfohlen (auf den kleinen Flitzern dürfen Kinder erst ab einem gewissen Alter mitfahren und mich würde Hajo auch nicht darauf bringen). Unsere Kinder kosten noch nichts, es hat noch freie Plätze am Nachmittag (und am Morgen wurden Wale gesichtet) und das Wetter wäre noch gut, denn Morgen ist wieder Regen angesagt. Kurze Zeit später sind wir stolze Inhaber von Tickets für die Nachmittagsfahrt um 15:30 Uhr. Alina ist ausser sich vor Freude als sie erfährt, welches unsere Pläne sind. Nun war es an der Zeit, unser Wohnmobil wieder umzuparkieren und wir entschieden uns, gleich zum Campingplatz zu fahren (welcher sich an der Abflugschneise befindet), unseren Platz einzunehmen und wenn möglich mit dem öffentlichen Verkehr, z.B. einem Wassertaxi an den Inner Harbour zurückzukehren.
Für Essen blieb keine Zeit (das war aber auch gut so). Rasch packten wir Fotoausrüstung und warme Kleider ein und waren auch schon wieder auf dem Sprung. Gleich beim RV-Park war eine Wassertaxi-Station, die alle 20 Minuten bedient wird und wir mussten auch nicht lange warten, bis eines um die Ecke, vorbei an den Hausbooten, gefahren kam. Wir machten gleich eine kleine Runde in der Hafeneinfahrt, vorbei am grossen Kreuzfahrtschiff, zum Fisherman’s Wharf, unter der grossen Autobrücke hindurch, an den startenden, landenden und parkierten Wasserflugzeugen und mehreren H2O-Taxis vorbei bis zum Visitor Centre am Inner Harbour. Den Buggy konnten wir deponieren und nachdem sie uns noch richtig gebucht hatten, erhielten wir bereits die Boardkarten. Kurze Zeit später konnten wir über einen Steg in unser Schiff Prince of Whales Ocean Magic II einsteigen. Wir nahmen Plätze auf dem Oberdeck ein (es hatte nicht allzu viele Leute). Alina haben wir zur Sicherheit mit dem „Gstältli“ am Geländer festgebunden und Flurin sass in der Rückentrage. Eine Meeresbiologin begrüsste uns und machte uns mit den Sicherheitsvorschriften vertraut. Wir fuhren an Flugzeugen, dem Tower und den zwei riesigen Kreuzfahrtschiffen vorbei aus dem Hafen. Übrigens erfuhren wir, dass Victoria den einzigen internationalen Flughafen besitzt, der schon komplett aufgrund von Walen auf der „Piste“ gesperrt werden musste! Auf offener See gab der Kapitän Gas und fuhr in östlicher Richtung mit Kurs auf San Juan Island/USA. Ca. eine halbe Stunde bretterten wir in hohem Tempo über die Wellen in das Gebiet, wo bereits am Morgen Wale gesichtet wurden. Schon kurz nach der Hafenausfahrt hatten wir die natürliche Grenze zu den USA passiert. Orcas zweier Familien waren noch im selben Gebiet und wir konnten viele Tiere bei der Jagd nach Lachsen beobachten.
Einmal tauchten sie gar sehr nahe an unserem Boot auf, da sie Schiffe nicht scheuen. Später kamen wir auch noch in den Genuss von ein paar Sprüngen aus dem Meer. Einige andere Touristenboote befanden sich ebenfalls in der Gegend und kreisten mit uns um die auftauchenden Orcas herum. Das Fotografieren der Meeressäuger gestaltete sich aber alles andere als einfach. Da diese über mehrere Minuten unter Wasser verbleiben können ist es schwierig auszumachen, wo sie wieder auftauchen werden. Einmal gesichtet muss die Kamera auf sie gerichtet und eingestellt werden und bis man den Auslöser schlussendlich trifft, ist nur noch eine Flosse zu sehen. In diesen Gewässern gibt es drei verschiedene Typen Orcas: eine sesshafte Population, die sich auf das Lachs fangen spezialisiert hat, weiter draussen im offenen Meer eine Gruppierung, welche andere Meeressäuger als Nahrung bevorzugt und gelegentlich trifft man auf Orcas, welche nicht sesshaft sind und über weite Strecken wandern. Wir haben männliche Tiere sowie Weibchen mit Nachwuchs zu sehen bekommen.
Nachdem Flurin auf der Fahrt eingeschlafen ist, wurde er immer ruhiger, gähnte und hüstelte und schien sich nicht wohl zu fühlen. Hajo zügelte deshalb mit ihm an den Schwerpunkt des Schiffs im unteren Deck, wo er sich rasch wieder erholte und zu Spässchen aufgelegt war. Obwohl wir ihm mehrmals erklärten, dass dies Orcas seien, welche aus dem Wasser auftauchten liess er sich nicht von der Vorstellung abbringen, dass dies „Hai-Hiss“ seien, welche „bumpä“ und, gemäss einer grossen vorgeführten Kopfbewegung, tauchen würden. Alina hielt sich super und hatte viel Freude, die Orcas live zu sehen. Viel zu schnell bekam der Kapitän Hunger und leitete die Rückfahrt zum Hafen ein. Dieses Mal gab er Vollgas und der Wind blies und kräftig um die Ohren. Teilweise krachten wir mächtig auf die Wellen nieder. Dick eingepackt hielt Alina dem Wetter auf dem Oberdeck stand. Flurin weniger, irgendwann kippte seine Stimmung plötzlich, ein Zeichen (welches wir etwas zu spät interpretierten), schnell wieder auf „Tauchstation“ zu gehen. Zurück an der Hafeneinfahrt drosselte der Kapitän das Tempo und wir fuhren an einem weiteren, erst eingetroffenen, riesigen Kreuzfahrtschiff vorbei zum Inner Harbour. Flurin war rasch wieder genesen und freute sich wie wir alle auf ein verdientes Abendessen. Alina war selig über den tollen Ausflug und wir waren überglücklich, dass wir das Abenteuer doch gewagt hatten. Es hatte sich so gelohnt und gemäss der Meeresbiologin hatten wir eine sehr erfolgreiche Tour erwischt. In einem Restaurant in der Stadt füllten wir unsere Mägen und Alina machte sich zur allgemeinen Unterhaltung hinter der Bar nützlich. Auf dem Weg zur Promenade gönnten wir uns alle noch ein feines Glace. Das Parlamentsgebäude war schon beleuchtet und ich liess es mir nicht nehmen, noch ein Foto davon zu knipsen. Da um diese Zeit keine Wassertaxis mehr unterwegs sind, mussten wir ein normales Taxi zurück zum Campingplatz nehmen. Das Taxi war, wie die gesamte Taxiflotte, ein Hybridauto, eine Reaktion der Taxiunternehmen, auf die steigenden Benzinpreise. Nachdem wir vom Ufer aus einen letzten Blick über den ganzen Hafen mit den beleuchteten Kreuzfahrtschiffen und ein paar herumtollenden Ottern geworfen hatten, sanken wir alle müde ins Bett.