Tatsächlich klopfte es heute Morgen nicht mehr aufs Dach. Alina war schon um 7 Uhr wach und verwöhnte Papi mit ein paar Kuss- und Streicheleinheiten (nachdem diese in den letzten Tagen eher spärlich ausgefallen waren).

Flurin war ebenfalls bereits früh wach, doch als ich nichts dergleichen tat, legte er sich (zum Glück) auch nochmals hin und schlief weiter. Dafür war er später der letzte und kaum mehr wach zu kriegen. Nach einem Milch- und Cornflakes-Frühstück, einem kurzen Schwatz mit dem Besitzer und der Beobachtung von Kolibris, welche am Haus Nektarsaft genossen, fuhren wir bei leichtem Sonnenschein los Richtung Whistler.

Die Stimmung war bei allen viel besser und gelöster. Erneut führte uns – nun der Highway 99, auch Duffey Lake Road genannt – in einem Bogen südwestwärts nach Pemberton. Die wenig befahrene Bergstrasse wird fotogen begleitet von den herrlichen Panoramen der schneebedeckten Cayoosh Range, einer Kette der Coast Mountains. Sie bietet eine ruhige Fahrt durch typisch kanadische Berglandschaften mit blendend weissen Gletschern und den türkisfarben leuchtenden Duffey und Seton Lakes. Hinunter nach Pemberton führte die Strasse zum Teil mit 15% Gefälle. Meine Ohren, welche jeden Höhenmeter registrierten, schlossen sich komplett und als ich die volle Hörfähigkeit wieder erlangte, schien es mir richtig laut zu sein. In Pemberton (immer noch British Columbia) gelang es uns zum ersten Mal, unser Gefährt wirklich vollzutanken. Nachdem vorgängig 200 CAD auf unserem Konto blockiert wurden, tankten wir für 187 CAD rund 140 Liter oder knapp 3/4 unseres Tankes. Nun war es nur noch ein Katzensprung bis nach Whistler. Gleich im ersten grossen Campground (Riverside) fanden wir Unterschlupf für zwei Übernachtungen. Da uns das Wetter für einmal relativ gut gesinnt war, machten wir uns gleich auf die Socken um mit der Gondel in die Berge von Whistler zu fahren. Bei der Talstation der Sesselbahn, die jedoch im Sommer geschlossen bleibt, befand sich ein Kinderparadies unter anderem mit einem Riesentrampolin mit ca. sechs Meter hohen Pfosten, an denen die Gummiseile befestigt waren, welche zu hohen Sprüngen verhalfen. Ein absolutes MUSS für Alina.

Mit unbeschreiblicher Lockerheit flog sie durch die Lüfte und genoss die Riesensprünge, wobei sie sich auch in Rückwärts-Saltos versuchte. Sie war kaum mehr für unser weiteres Programm zu begeistern. In der Zwischenzeit hatten wir allerdings bereits die Fahrtickets organisiert und schlenderten ins Lower Village zur Talstation der Gondelbahn. Hauptattraktion im Sommer ist die im Dezember 2008 eröffnete Peak2Peak Gondola, eine 4,4 km Verbindung zwischen Blackcomb Mountain und Whistler Mountain. Kleine Gondeln brachten uns auf eine Höhe von 1850 m zum Whistler Mountain.

Von dort führten die riesigen roten Gondeln (die einzigen zwei silberfarbigen Gondeln hatten noch einen Glasboden) mit Platz für 22 Sitz- und ca. 6 Stehplätze (ein Produkt der CWA Schweiz) zum Blackcomb Mountain. In bis zu 436 m Höhe über dem Boden (wir meinten, gar einen Bären ausgemacht zu haben) schweben die Gondeln über das Tal zwischen den beiden Berggipfeln.

Dort liess es sich Alina nicht nehmen, Papi mit ein paar Schneebällen einzudecken. Um das Ziel bestimmt nicht zu verfehlen näherte sie sich bis auf ca. 50 cm ihrem Ziel. Auch Flurin wollte an der Schneeballschlacht teilhaben und liess sich die Schneebälle direkt in die Rückentrage liefern. Zurück auf dem Whistler Moutain knipsten wir noch ein paar Siegesfotos auf dem Olympia-Podest und schauten den ungeduldig lauernden Murmeltieren zu. Sie warteten nur darauf, bis sämtliche Leute die Bergstation verliessen, um sich am Gras in der Touristenzone satt zu fressen. Auf der Rückfahrt ins Tal konnten wir kurz vor der Mittelstation einen Blick auf eine Schwarzbärin mit zwei Jungen erhaschen. In der Gegend wird die Bärenpopulation auf ca. 60 Schwarzbären geschätzt. Nach einem Dinner im Village konnten wir es nicht lassen, noch eine kleine Süssigkeit im Rockychoc Schoggiladen zu kaufen. Ein weiterer erfüllter Tag neigte sich dem Ende entgegen. Wir waren alle glücklich, dass wir uns für die Weiterfahrt hierher entschieden hatten. Während die Kinder rasch in ihren Träumen schlummerten, sorgte ein neuer Mitbewohner für Aufregung in unserem Gefährt. Kurz vor dem zu Bett gehen – Hajo war soeben eingenickt – sauste eine kleine Maus quer durch unser Motorhome. Ob diese hier in Whistler zugestiegen ist? Oder ob wir bereits seit Banff (wir erinnern uns an die kurze Nacht und die offenen Fenster und Türen aufgrund der ständig lärmenden Alarmanlage) einen blinden Passagier an Bord hatten? Oder ob sie uns gar von Anfang an auf die Reise mitgegeben wurde? Nachdem ich mich auf dem Tisch in Sicherheit gebracht hatte, durchstöberte der in der Zwischenzeit wieder wach gewordene Hajo mit meiner moralischen Unterstützung das ganze Wohnmobil, leider ohne das Monster dingfest zu machen. Es blieb uns nichts anderes übrig, als uns ins Bett zu legen, als ob nichts gewesen wäre. Ich hatte schon ein etwas mulmiges Gefühl, diesen Nager auf unseren wenigen Quadratmetern zu wissen, war ich doch davon ausgegangen, dass wir hier drinn vor Tieren geschützt sind. Und es sollte noch besser kommen: nachts um halb drei erwachte ich, als das Ungeheuer zwischen meiner und Flurins Decke und Wolldecke hin und her raste. Mit ein paar Fluchwörtern vertrieb ich den Störefried aus unserem Bett. Todesmutig suchte Hajo nochmals alle Winkel ab, ohne Erfolg. Irgendwie schafften wir es, den Rest der Nacht bis zum Morgengrauen schlafend zu verbringen.

Odysee durch British Columbia Whistler