Es war sehr kalt in unserem Wohnmobil und die Fenster aufgrund der hohen Feuchtigkeit im Fahrzeug beschlagen. Die meiste Wäsche hatte es leider nicht schranktrocken geschafft, so zügelten wir die ganze Aufhänge nach draussen.
Lange hatten wir überlegt, ob wir nochmals einen Tag und eine Nacht hier anhängen sollten, den es war das Paradies für die Kinder. In unserer Reiseplanung wollten wir diesen Morgen weiterfahren. Wir machten einen Kompromiss: Am Morgen durfte Alina nochmals eine Runde reiten gehen und wir würden am Mittag unser Programm fortsetzen. Nach einem kurzen Frühstück hatte Alina nochmals eine Reitlektion. Bardy, das Pony, kam mir mit Alina gleich entgegen, als ich auf dem Weg zum Stall war. Gemeinsam mit der Begleitung machten sie eine grosse Runde auf dem Gelände. Zwischendurch tätschelte Alina das Pony immer wieder und spielte mit seiner Mähne. Mehrfach sass sie freihändig auf dem Sattel.
Eine holländische Familie, deren Kinder ihre erste Reitrunde machten erzählten uns, dass sie in Jasper und am Icefields Parkway, wo sie her kamen, viele Bären gesehen hätten. Wir hofften sehr auf ähnliches Glück. Zu gerne wäre Alina noch viel länger auf der Golden Eco Adventure Ranch geblieben, sie war sehr traurig ob unserer Abreise und auch uns hat es sehr gut gefallen, aber wir hatten noch andere spannende Ziele vor uns. Wir packten unsere sieben Sachen, knipsten mit Sonja noch ein paar hübsche Abschiedsfotos und machten uns auf den Weg. Die Strasse zum Kicking Horse Pass führte steil den Berg hinauf. Schwere Lastwagen krochen im Schneckentempo den Highway hoch. Immer wieder war – einmal sehr nahe, einmal weit unten in der Schlucht – die Eisenbahnlinie zu sehen, welche uns auf dem ganzen Weg begleiten würde und stark frequentiert ist. Im Visitor Centre von Fields haben wir erfahren, dass die Strasse zu den Takakkaw-Falls noch gesperrt war, aber der Weg zum Upper Spiral Tunnel Viewpoint unterhalb des Mount Ogden war offen. Da gerade ein Zug vorbeirauschte meinte sie, es sei gerade ein idealer Zeitpunkt, um den Weg der langen Züge durch die Spiraltunnels (entspricht unseren Kehrtunnels, die Kanadier haben das von uns Schweizern abgeschaut!) von diesem Viewpoint aus zu beobachten. Rechtzeitig hatten wir den Viewpoint erreicht und uns mit dem Fotoapparat positioniert, denn die langen, schweren Züge brauchen ihre Zeit, bis sie vorwärts kamen. Es war wirklich beeindruckend, wie die Lok nach einiger Zeit am Tunnelausgang erschien während die hinteren Wagen noch vor dem Tunneleingang waren.
Von der Position der Tunnelausgänge her war es möglich, alle beide auf einem einzigen Foto zu platzieren. Eigentlich war noch der Emerald Lake sowie die Natural Bridge in der Nähe, welche wir besuchen wollten, aber da ich den Wunsch hatte, in Lake Louise mit der Sightseeing Gondola ins Weltcup-Skigebiet zu fahren, von wo jeweils am letzten November-Wochenende die Skirennen ausgetragen werden und die Gondola nur bis vier Uhr nachmittags in Betrieb waren, zogen wir Lake Louise vor und planten auf dem Rückweg die restlichen Sehenswürdigkeiten am Kicking Horse Pass zu besuchen, da wir eh hier oben übernachten würden. Der Weg nach Lake Louise war nicht weit und im Ort kannten wir uns ja bereits schon aus (ausserdem ist Lake Louise nicht wirklich gross). Zum Glück hatten wir uns warm angezogen, denn ein sehr kühler Wind blies uns auf der Sesselbahn entgegen. Leider haben wir weder bei der Berg- noch bei der Talfahrt über dem Durchgangskorridor Bären gesehen. Oben angekommen wollten wir eigentlich eine kleine Wanderung machen. Die Wege waren aber noch geschlossen, da der Boden überall sehr feucht und teils noch schneebedeckt war und die Gondola ihren Sommerbetrieb erst vor gut einer Woche eröffnet hatte. Nachdem wir Alina nach einem Sturz wieder getröstet und auf die Beine gestellt hatten, besuchten wir die Aussichtsplattform und genossen das riesige Panorama über all die schneebedeckten, wunderschönen, umliegenden Berge. Auf einer Karte und während der anschliessenden Talfahrt studierten wir den Weg der Rennpiste und versuchten uns verschiedene Standorte einzuprägen um sie möglicherweise nächsten Winter am Fernsehen wieder zu erkennen. Nach einem kurzen Tankstopp kletterte unser Wohnmobil wieder zum Kicking Horse Pass hoch. Auf halbem Weg machten wir Stopp am Lower Spiral Tunnel Viewpoint. Da Alina gerade eingeschlafen war, blieb Hajo zuerst im Wohnmobil zurück und ich hielt Ausschau nach - teils doppelstöckigen - Güterzügen. Hajo sollte mehr Glück haben und konnte einen einzigen Zug gleichzeitig an drei verschiedenen Orten sehen: auf einer Schleife vor dem Kehrtunnel sowie beim Ein- und Ausgang des Tunnels. Ein Informationsplakat wies darauf hin, dass die Idee der Kehrtunnels von den Schweizern abgeschaut wurde. Nun fuhren wir aber direkt zur Natural Bridge, einem Durchbruch unter einem früheren Wasserfall des Kicking Horse Rivers. Anschliessend ging die Fahrt auf der gleichen Strasse weiter bis zum Emerald Lake. Da es unterdessen schon Abend geworden war, waren die grossen Touristenströme schon abgezogen und wir konnten den wunderschön gelegenen, smaragdgrünen See mit einer handvoll Menschen in aller Ruhe geniessen.
Nun knurrte aber allen der Magen. Da weder in der Umgebung des Sees noch in Fields ein (passendes) Restaurant zu finden war fuhren wir zu unserem Campingplatz und kochten nochmals einen Topf Spagetti, ein Essen, das natürlich immer gut ankommt, bei Gross und Klein. Danach vergruben wir uns tief unter unseren Decken, denn die Nacht versprach – mit Minustemperaturen – sehr kalt zu werden. Mal sehen, wer sich Morgen als erstes aus den Federn bewegt!